Hochsensibilität und der persönliche Raum – Segen oder Einschränkung der persönlichen Freiheit

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Der Podcast zum Text

Hochsensibilität ist kurz gesagt ein Persönlichkeitsmerkmal, welches eine erhöhte Empfindsamkeit – Wahrnehmungsfähigkeit gegenüber physischen, emotionalen und sozialen Reizen beinhaltet. Hochsensible Menschen erleben Emotionen intensiver, sind sich ihrer Umgebung oft stärker bewusst und haben ein tieferes Maß an sensorischer Verarbeitung. Die Intensität und individuelle Ausprägung der Hochsensibilität kann sehr unterschiedlich sein. Hochsensibilität bedeutet, Dinge manchmal wesentlich intensiver wahrzunehmen als andere.

Hier soll es jetzt nicht um die klassischen Symptome gehen. Ich möchte hier über den Verlust der Autonomie sprechen, über die Einschränkung der persönlichen Freiheit…

Hochsensible Menschen erleben hier oft eine enorme Einschränkung, da ihre Fähigkeit, äußere Reize zu filtern, begrenzt ist. Beispielsweise kann eine stark frequentierte Arbeitsumgebung mit lauten Gesprächen, Telefonklingeln und hektischen Bewegungen schnell überwältigend wirken. Ebenso ein voller Terminkalender, mit zum Beispiel zu vielen Arbeitszeiten, familiäre Verpflichtungen oder soziale Erwartungen.Auch eine ständige Erreichbarkeit kann zu einem Gefühl der Überforderung führen. Dadurch ist der Spielraum an Möglichkeiten oft kleiner und vieles bedarf einer guten Planung. 

Dabei ist es oft kaum möglich, rechtzeitig in den Rückzug zu gehen. Strukturen und Routinen geben feinfühligen Menschen zwar Sicherheit und Halt, die Kunst ist es jedoch, dabei eine Balance zwischen Einengung und Stabilität zu finden.

Tritt der Zustand der Einschränkung über einen längeren Zeitraum auf, fehlt irgendwann der eigene Raum. Es wird immer schwerer zu sich zu kommen und einfach nur sich zu fühlen. Hochsensible Menschen müssen eigentlich lernen, sich selbst ziemlich gut zu kennen und zu verstehen, um dadurch die eigene Substanz zu stärken. Sie müssen ein Gefühl für ihre eigene Energie haben, um differenzieren zu können. Andauernde Verpflichtungen, zu langer Input und zu viele Abfragen an die Aufmerksamkeit nagen an dem Halten der eigenen Form.

Für mich war es ein langer Prozess, überhaupt zu verstehen, was die Feinfühligkeit alles mit sich bringen kann. Damit kam irgendwann ein starkes Bedürfnis nach Eigenständigkeit und der Möglichkeit, sich den Tag selbst zu strukturieren und einzuteilen. Und damit ging ja auch viel anderes einher. Wie kommuniziere ich das Bedürfnis nach eigenem Raum am besten? Ich stamme aus einer Generation, in der Hochsensibilität und Feinfühligkeit, gerade bei einem Mann, nicht wirklich ein Thema in der Gesellschaft war. Auch heute erlebe ich manchmal noch ein Abtun oder auf der anderen Seite eine Überbewertung… Aber ich möchte das auch überhaupt nicht bewerten. Ich glaube, es ist kaum nachzuvollziehen, was und vor allem wie hochsensible Menschen wirklich empfinden und erleben, wenn man nicht so ist.

Es ist absolut wichtig, ein Bewusstsein für die eigenen Grenzen und Bedürfnisse zu entwickeln. Hochsensible Menschen profitieren oft davon, sich regelmäßig selbst zu reflektieren und zu erkennen, welche Strukturen ihnen wirklich guttun und welche eher einengend und destruktiv wirken.

Wie kann man hierbei gut für sich sorgen?

Vielleicht kannst du Freiräume im Arbeitsalltag integrieren. Strategien wie Pausen bewusst gestalten, Grenzen setzen oder sich bewusst flexible Arbeitsmodelle suchen, können helfen, den Druck im Arbeitsbereich zu reduzieren. Vielleicht kannst du das sogar mit dem Arbeitgeber kommunizieren.

In der Beziehung und Familie

Das intensive Wahrnehmen von Emotionen macht Beziehungen sowohl erfüllend als auch herausfordernd.

Erwartungen an eine feste Rolle in der Familie oder in der Partnerschaft können schnell zur Belastung werden. Hochsensible spüren oft unausgesprochene Erwartungen und fühlen sich verantwortlich, diesen gerecht zu werden. Bzw. versuchen, aus den Erwartungen und dem Druck auszubrechen.

Die Kommunikation als Schlüssel

Klare und ehrliche Kommunikation ist entscheidend, um sich selbst treu zu bleiben. Es kann helfen, sich bewusst Zeiten für Rückzug zu nehmen und dem Gegenüber zu erklären, dass dies kein Zeichen von Ablehnung ist, sondern ein notwendiger Raum für das eigene Wohlbefinden.

Erkennen von eigenen Bedürfnissen und Interessen.

Ich habe Jahre gebraucht, um das Thema Hochsensibilität richtig zu verstehen. Dabei habe ich oft meine tiefen Interessen und Sehnsüchte unterdrückt und denen wenig bis keinen Raum gegeben. Ein gesundes Ausleben ist ein gutes Ventil und eine notwendige Festigung und Akzeptanz der Persönlichkeit.

Perfektionismus und Verantwortungsgefühl als Herausforderung.

Eigene Ansprüche – der innere Druck

Hochsensible neigen dazu, sich selbst hohe Maßstäbe zu setzen und oft mehr Verantwortung zu übernehmen, vielleicht sogar als notwendig. Auch dies kann zu Überforderung führen. Ich empfinde dies aber auch als einen natürlichen Zustand, je mehr wir uns einer Situation, eines Systems oder Vorganges bewusst sind, desto mehr sehe ich auch ggf. Bedarf zum Handeln oder Entscheiden. Zum Glück habe ich aber auch Menschen in meinem Umfeld, die mich bremsen, wenn ich es selbst nicht tue… Auch hier hilft das bewusste Erkennen der inneren Prozesse und eine dementsprechende Selbstfürsorge.

Selbstakzeptanz: Wie du dir selbst mehr Freiheit zugestehst.

Sich selbst und die Feinfühligkeit mit Akzeptanz und liebevoll anzunehmen kann helfen, den inneren Druck zu reduzieren. Kleine Schritte zur Selbstfürsorge und bewusstes Entschleunigen sind essenziell.

Kleine Veränderungen mit großer Wirkung: Rituale, bewusste Pausen, Grenzen setzen.

Bereits kleine Änderungen im Alltag, wie bewusst geplante Pausen oder feste Zeitfenster für Rückzug, können helfen, wieder mehr Leichtigkeit zu spüren.

Jeder hat seine Art zu tanken und zu sich zu kommen. Hochsensible Menschen nehmen dabei oft feine Nuancen wahr, die für andere vielleicht nicht spürbar sind. Ob durch Rückzug, kreativen Ausdruck oder das bewusste Eintauchen in neue Eindrücke – es geht darum, die individuelle Balance zu finden, die die eigene Energie erhält und stärkt. 

Ich brauche manchmal den radikalen Rückzug und manchmal möchte ich meine kreative Ader ausleben. Oder ich habe das dringende Bedürfnis, meine Tiefe zum Ausdruck zu bringen. Oder sogar einen vollen Input an komplett neuen Informationen in mich aufsaugen. Für solche Momente liebe ich lange Spaziergänge in fremden Großstädten.

Abschießende Worte

Feinfühligkeit bedeutet nicht nur, tief zu fühlen, sondern auch achtsam mit sich selbst umzugehen. Es ist ein Geschenk und eine Herausforderung zugleich – doch wenn du lernst, deine Sensibilität bewusst zu nutzen, kann sie zu einer wertvollen Stärke werden, die dich mit dir selbst und deiner Umwelt auf einer tiefen Ebene verbindet. 

Vielleicht kannst du dich einmal bewusst hinterfragen, wo Strukturen dich unterstützen und wo sie dich einschränken. Was wäre ein kleiner erster Schritt, um mehr Leichtigkeit und Freiheit in dein Leben zu bringen?

Ich bin gespannt auf deine Gedanken dazu. Lass es mich gerne wissen 😊

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