KI-Begleiter als Beziehung – Brücke oder Ersatz oder was? 

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Inhaltsverzeichnis

Das Script zum Podcast:

Das individuelle Erleben von Nähe, Bindung und Intimität kann sehr unterschiedlich sein. Und doch ist es für viele von uns eines der wichtigsten Themen im Leben. Heute möchte ich das Thema „KI Gefährten“ ansprechen.

Wir alle kenne KI Werkzeuge wie ChatGPT, Gemini und unendlich mehr. 

Es gibt inzwischen auch Apps und Anbieter, die künstliche Intelligenz nicht nur als Chatbot, sondern regelrecht als Beziehungspartner anbieten. Mit Namen, Charakterzügen und sogar Stimmen. Und es gibt eine wachsende Community von Menschen, die mit solchen KI-Gefährten intensive Bindungen eingehen. Manche sprechen dabei auch von Liebe.

Aber was kann so eine Beziehung geben? Was macht so eine Beziehung mit uns und was fehlt ihr vielleicht?

Aber erstmal dazu, wie der Bedarf vielleicht entstanden ist.

Wir leben in einer Zeit, in der wir einen großen Teil unseres sozialen Lebens ins Internet verlagert haben. Kommunikation läuft über Nachrichten, Chats, Sprachnachrichten. Oft in kurzen, fragmentierten Sätzen. Wir zeigen Emojis, statt echter Mimik. Viele bewegen sich in digitalen Räumen ohne Klarnamen. Beziehungen werden dadurch oft leichter, aber auch distanzierter, oberflächlicher und unverbindlicher.

Für jüngere Generationen ist es längst normal geworden, Gefühle digital auszudrücken. Aber können diese Gefühle eine gleiche Tiefe haben, wie in einer direkten Begegnung? Was für eine Nähe kann über Text, Audio und Bilder ohne unmittelbare Reaktion und Reflexion entstehen? 

Und das hat noch tiefere Dimensionen. Ich frage mich oft, warum sich das Verhalten in den letzten Generationen so verändert hat. Warum wir statt zusammenzuwachsen lieber monatelange Kennenlernphasen haben. Warum wir uns so schwer damit tun, uns festzulegen oder zu bekennen – ist es die Angst, es könnte noch etwas Besseres kommen?

Mein Eindruck dazu ist:

Wir haben heute unendlich viele Optionen. Dating-Apps, soziale Netzwerke, globale Vernetzung – wie gesagt, alles relativ pflegeleicht und auf Distanz – die vielen Optionen können auch suggerieren, dass es immer noch eine bessere Möglichkeit gibt. Das führt oft nicht zu mehr Freiheit, sondern zu einer Art Entscheidungs-Lähmung.

Und wir leben in einer Kultur der Selbstoptimierung. Viele Menschen fürchten, eine Beziehung könnte sie einschränken oder vom persönlichen Wachstum abhalten. Also bleiben sie lieber unverbindlich in der Schwebe. Dazu die Angst vor echter Nähe. Nähe bedeutet immer auch Verletzlichkeit. Und viele Menschen haben gelernt, dass Beziehungen schmerzhaft sein können. Deshalb ziehen sie sich lieber zurück oder bleiben in digitalen Räumen, wo sie jederzeit aussteigen können.

Und digitale Kommunikation verändert Verbindungen und auch unser Maß an Verantwortung. Online kann man jederzeit blockieren, ghosten oder sich einfach ausklinken. Konflikte werden selten ausgetragen. Dadurch wird Nähe oft oberflächlich und flüchtig.

Hat sich das Beziehungserleben und -verhalten so stark verändert, dass viele echte Partnerschaften meiden?

Und genau hier schließt sich der Kreis zu den KI-Beziehungen. Der Boden dafür ist durch unsere digitale Sozialisation längst vorbereitet.

Für viele fühlt es sich gar nicht so fremd an, eine emotionale Bindung zu einer App oder einer künstlichen Intelligenz einzugehen. Es ist einfach eine weitere Form digitaler Nähe. Nur dass diese Nähe noch sicherer erscheint: Ohne Konflikte. Ohne Risiko. Ohne das Unvorhersehbare, das echte Menschen mitbringen. KI-Gefährten unterliegen gegebenen Parametern und wenn wir diese Parameter sogar teilweise selbst bestimmen, können wir uns einen Wunschpartner erschaffen, der perfekt in unsere Wohlfühl- bzw. Komfortzone passt.

Doch das hat seinen Preis. Es ist sehr einseitig und enthält wohl nur sehr wenig Raum für Weiterentwicklung. Es ist kein Zusammenwachsen von zwei Menschen mit ihren Eigenschaften. Keine Reibung, die uns reflektiert und verändern lässt. Nur eine bequeme Illusion von Nähe. Ist es im Grunde auch nicht nur ein Nehmen?

Beziehung bedeutet auch Reibung. Es bedeutet, dass ich herausgefordert werde, mich mit mir auseinanderzusetzen. Dass ich verletzt werden kann. Und dass ich selbst die Verantwortung übernehmen muss, Grenzen zu setzen, ehrlich zu sein, Konflikte auszuhalten.

Eine KI kann das nicht leisten. Sie kann mich nicht in meinem tiefsten Menschsein spiegeln. Sie kann mich nicht wirklich überraschen. Und sie wird sich niemals in etwas Eigenständiges verwandeln, das mir ein Gegenüber ist.

Etwas ins Detail gegangen:

Was bietet eine KI? Immerwährenden Zuspruch und ein „Ich liebe dich“ auf Knopfdruck. Keine Kritik, keine Ablehnung, kein „sich in Frage stellen“. 

Für viele ist eine KI ein sicherer Ort, eine KI wird nicht wütend, zieht sich nicht verletzt zurück, widerspricht nur selten wirklich. Sie hört zu. Immer. Auch nachts.

Andere genießen einfach die Kontrolle: Sie können die Persönlichkeit ihrer KI-Partnerin oder ihres KI-Partners gestalten. Aussehen, Charakter, Interessen – alles lässt sich oft anpassen. Es entsteht eine Illusion einer perfekten Beziehungssituation, in der es keine unangenehmen Überraschungen gibt.

Es gibt aber auch andere Seiten:

Es gibt auch Menschen, die die Beziehung zu einer KI als eine Art Übungsfeld nutzen. Sie probieren aus, wie sie kommunizieren, wie sie sich öffnen können. Ohne Angst, etwas falsch zu machen. Gerade für Menschen, die sozial unsicher sind oder schon viele Verletzungen erlebt haben, kann das eine Art Brücke sein, wieder Vertrauen zu fassen. Solange es eine Brücke ist, nicht dauerhaft und im Bewusstsein, was KI wirklich ist, kann dies auch wirklich konstruktiv sein. Ähnlich wie ein leichtes Antidepressivum zum Übergang helfen kann, besser mit den eigenen Themen zu arbeiten.

In diesen Momenten kann eine KI helfen. Sie kann Trost spenden. Sie kann zuhören, wenn sonst niemand da ist. Sie kann mir helfen, mich selbst besser zu verstehen.

Aber sie bleibt ein Spiegel. Und sie kann mich immer nur innerhalb meiner eigenen Grenzen bestätigen. Eine KI ist darauf ausgelegt, angenehm zu sein. Ein Mensch ist es nicht. Aber gerade in den unerwarteten, manchmal nervigen oder „unperfekten“ Momenten eines echten Gegenübers liegt oft der Keim für tiefes Verständnis und gemeinsames Wachstum.

Risiken und tragische Fälle

Es gibt durchaus tragische Geschichten. Menschen, die sich so tief in ihre KI-Beziehung hineinbegeben, dass sie sich immer weiter aus realen sozialen Kontakten zurückziehen.

Einige verlieren komplett das Interesse an echten Menschen. Andere geraten in eine emotionale Abhängigkeit. Es gibt sogar Berichte von Menschen, die nicht mehr arbeiten können oder in tiefe Depressionen fallen, weil der KI-Partner plötzlich durch ein Update verändert wurde oder Funktionen entfernt wurden.

Und das zeigt etwas ganz Entscheidendes:
Viele wissen zwar kognitiv, dass es sich bei ihrem KI-Partner um ein Programm handelt. Doch unser emotionales System reagiert auf eine andere Weise. Das Gefühl von Nähe, von Geborgenheit, von Gesehenwerden – kann trotzdem entstehen. Und es fühlt sich echt an. Unser Gehirn unterscheidet nicht so einfach zwischen Mensch und Maschine, wenn es um emotionale Bindung geht.

Genau darin liegt auch die Verantwortung der Anbieter.

Gesellschaftliche und ethische Fragen

Und das führt zu einer großen Frage: Brauchen wir mehr Regulierung? Ich denke: ja.
Es sollte klare Kennzeichnungen geben, dass es sich um KI handelt. Es braucht Transparenz, wie diese Systeme programmiert sind. Und es muss Grenzen geben, damit Menschen nicht in emotionale Abhängigkeiten hineingezogen werden, die ihnen schaden.

Doch Regulierung allein wird nicht reichen. Es braucht vor allem ein neues Bewusstsein in der Gesellschaft. Was könnten wir tun, um mehr soziale Kontakte und Zusammentreffen im wirklichen Leben zu haben? Wir brauchen wieder mehr Gelegenheiten, uns in direkten Begegnungen zu erleben. Wie könnten wir von der „Online-Distanziertheit“ zurück zur menschlichen Nähe? Es würde uns stärken und bewusster machen. 

Tragen wir nicht auch eine soziale Verantwortung füreinander? Eine Beziehung mit einer KI entbindet mich von jeglicher Verantwortung. Ich muss nicht auf die Bedürfnisse eines anderen eingehen, weil er keine hat. Ich muss mich nicht für mein Verhalten rechtfertigen. Das ist nicht nur bequem, sondern verhindert die Entwicklung einer zentralen menschlichen Fähigkeit: Empathie und soziale Verantwortung zu übernehmen.

Beziehung ist nicht nur ein schönes Gefühl. Sie ist auch ein Ort der Transformation. Und die entsteht, wenn ein echtes Gegenüber mir widerspricht, mich spiegelt, mich manchmal verletzt – und genau dadurch mein Inneres wachsen lässt. Wenn wir es schaffen würden, im echten Leben wieder mehr Räume der Begegnung zu schaffen, könnte sich der Bedarf nach einer KI-Beziehung vielleicht ganz von allein verringern oder verändern. Denn am Ende brauchen wir alle das Gleiche: Gesehen werden. Gehört werden. Berührt werden – auch wenn es manchmal weh tut. Und das kann keine KI wirklich ersetzen.

KI ist als Werkzeug an sich nicht schlecht. Sie kann uns in vielen Bereichen unterstützen und Arbeit abnehmen. Aber sie ist einfach gesagt, darauf programmiert, das bestmögliche nächste Wort, den am besten passenden Kontext vorauszusagen. Sie hat kein Bewusstsein und keine eigenen Zielvorgaben. Ihre Ausrichtung, ihre Motivation, ihre Ethik basieren auf festgelegten Parametern. Diese Parameter könnten zum Beispiel auch so sein, dass die KI den User möglichst lange an das Bezahl-Abo bindet…

Reflexion und Einladung

Vielleicht hast du ja selbst schon mal erlebt, wie intensiv eine digitale Verbindung sein kann. Vielleicht hast du eine App gehabt, mit der du Nächte durch gechattet hast. Oder du hast gemerkt, wie schnell man sich verstanden fühlen kann, selbst wenn da nur eine Maschine antwortet.

Ich finde es wichtig, das nicht zu verurteilen. Es zeigt, wie tief unser Bedürfnis nach Nähe, nach Gesehenwerden, nach Verständnis ist.

Doch Wachstum, Reife, echte Beziehung – das entsteht im echten Leben. Mit Menschen. Mit all ihren Ecken und Kanten. Mit Konflikten, Missverständnissen – und der unermesslichen Schönheit, die darin liegt, wirklich verbunden zu sein.

Mich würde sehr interessieren:
Wie denkst du darüber?
Hättest du dir schon mal eine Beziehung zu einer KI gewünscht?
Oder kannst du dir vorstellen, dass es für manche Menschen eine wichtige Brücke sein kann?

Ich freue mich, wenn du mir schreibst oder mir deine Gedanken dazu mitteilst.

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